Seit ich in meine jetzige Wohnung eingezogen bin, tut die obere Klingel nicht. Ich habe nie rausfinden können, warum. Eigentlich war es mir aber auch immer eher schnurz, weil außer drei Nachbarn sowieso niemand schellen würde, und die haben sich schnell daran gewöhnt, entweder zu klopfen oder, für die mutigeren unter ihnen, die manuelle Drehklingel zu benutzen, die ich in die Tür eingebaut habe und die ich, aus akustisch-ästhetischen Gründen, zu bevorzugen finde.
Dieser Tage wird unser Treppenhaus saniert und die Elektriker marodieren durchs Haus. Heute klopft es und sie stehen vor meiner Tür, um mal nach der Klingel zu sehen, nachdem ich beiläufig erwähnt hatte, dass sie nicht fuktioniere. Sowas finde ich nett, denn damit habe ich nicht gerechnet. Sobald außen demnächst ein neuer Taster eingebaut ist, wird meine Klingel - immerhin nach gut fünf Jahren - zum ersten Mal ein Geräusch von sich geben. Ein ziemlich klägliches übrigens.
Womit ich auch nicht gerechnet hatte, ist dass mein Herd und der Durchlauferhitzer jetzt nicht mehr funktionieren. Nächstesmal halte ich lieber die Klappe.
[Update 12:03 Uhr]
Um die Klingel zu reparieren, musste ein Loch gebohrt werden. Dabei haben sie versehentlich eine Leitung angebohrt. Ich würde gerne Haare raufen. Am liebsten die des Elektrikers, aber der hat eine Glatze.
[Update 12:09 Uhr)
Ich habe jetzt gar keinen Strom mehr. Der Elektriker sagt, das sei Absicht.
[12:11]
Der Elektriker merkt an, es seien ja nur vier Adern, das sei scheiße, denn dann ginge das so ja gar nicht, sondern müsse anders gemacht werden, und geht wieder.
[12:14]
Der Elektriker kommt mit einer Abdeckplane, Hammer und Stemmeisen, räumt unter meinem Sicherungskasten alle frei, denn er müsse "da jetzt uffmachen". Ich habe Bauarbeiten in meiner Wohnung.
[12:45]
In meinem Flur, gleich neben der Haustür, ist die Wand aufgestemmt. Der Elektriker ist seit zehn Minuten verschwunden. Ich habe den ersten Termin abgesagt, für den ich in einer halben Stunde das Haus hätte verlassen müssen.
Ich wohne in der oberen Wohnung. Der Elektriker hat unmittelbar neben dem Sicherungskasten von außen nach innen, in die Aussparung, in die der Sicherungskasten montiert ist, gebohrt und dabei nicht daran gedacht, dass ein Kabel von unten kommen könnte. In der oberen Wohnung. Bevor ich irgendwo bohre, nehme ich so ein Messgerät, das mir anzeigt, ob in der Wand eine Leitung verläuft. Das Gerät hat zehn Euro gekostet und ich bin von alleine auf die Idee gekommen, es mir zuzulegen. Die Elektriker haben eine dreijährige Ausbildung gemacht.
[12:58]
Ich kann die Elektriker seit etwa zehn Minuten nicht mehr im Treppenhaus hören.
[13:20]
Seit zehn Minuten ist der Elektriker wieder da und versucht still, die kaputten Kabel auszutauschen. Ich sitze in der Küche und höre Knips- und Föngeräusche. Ich habe immer noch keinen Strom. Der Akku des Laptops ist leer.
[13:36]
Im Flur piept ein Phasenprüfer. Irgendwo scheint also Strom zu sein.
[13:39]
Das Licht geht an. "Da fehlt eene Phase. Vasteh ick nisch", sagt der Elektriker und läuft die Treppe runter. Herd und Durchlauferhitzer funktionieren immer noch nicht.
[13:42]
Das Licht geht aus. Und wieder an. Und wieder aus. Es bleibt aus.
[13:47]
Ich esse eine Orange.
[13:52]
Das Licht geht an. Der Elektriker ist wieder da und schaltet die Sicherungen wieder ein. Es gibt einen Knall. Der Elektriker fragt sich laut, was das denn gewesein sein könnte. Der Herd hat wieder Strom, der Durchlauferhitzer nicht. Der Elektriker stemmt die Wand weiter auf, um festzustellen, dass sie noch ein weiteres Kabel getroffen haben.
[14:05]
Gerade dachte ich, ich könnte ja mal einen Stein den Berg hinauf roll die Uhr am Herd stellen.
[14:24]
Knipsgeräusche. Der Elektriker grummelt vor sich hin.
[14:33]
Föngeräusche. Beim letzten Mal waren das die Vorboten für die Rückkehr des Stroms. Aber auch für die Rückkehr des Knalls.
[14:38]
Der Durchlauferhitzer funktioniert wieder. Und "Kolleje kommt gleich zum Zumachen". Ich esse eine Banane.
[14:54]
Aller Strom ist wieder da. Der Kollege zum Zumachen nicht.
[14:58]
Ich verabschiede mich vom Gedanken, meine Wohnung heute noch bei Tageslicht verlassen zu können und taue Hackfleisch auf.
[15:11]
Der Kollege ist mit einem großen Eimer gekommen. Ich vermute, er macht jetzt zu.
[15:19]
Das Loch ist zugespachtelt. Der Elektriker hat sich verabschiedet. Falls noch etwas sein sollte, würde er am Montag noch zum Nacharbeiten kommen. Erleichtert gebe ich zurück in die geschlossenen Anstalten.