Wer nicht für käuflich gehalten werden will, muss vermeiden, dass man ihm diesen Vorwurf überhaupt nur machen kann. Man darf also keinesfalls auch nur den Eindruck entstehen lassen, käuflich zu sein. Falls das doch mal passiert - Menschen machen Fehler - hat man eventuell noch die Möglichkeit, den Eindruck wieder vergehen zu lassen, indem man alle Umstände offenlegt, die mit ihm zusammenhängen.
Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2013, hat Geld genommen.
Er sei für einen Vortrag bezahlt worden. Von einer Anwaltskanzlei, der er zu einem Auftrag verholfen habe, als er noch Minister war. Das sieht aus, als hätte die Kanzlei sich nachträglich für die Auftragserteilung bedankt.
Man soll keine Verschwörung unterstellen, wo Inkompetenz als Erklärung ausreicht. Möglicherweise ist Steinbrück also tatsächlich einfach zu dumm, zu begreifen, welchen Eindruck ein solches Verhalten macht, möglicherweise ist es ihm aber auch egal. In beiden Fällen bleibt der Eindruck bestehen. Schlimmer noch: Ich muss Steinbrück sogar für käuflich halten, denn es gibt keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob es bei der Auftragsvergabe mit rechten Dingen zugegangen ist.
Das ist irreparabel. Darum brauchen wir einen Spin, der vom eigentlichen Problem ablenkt. Spontan würde ich es so machen: Anstelle der eigentlichen Frage ließe ich die Öffentlichkeit diskutieren: „Darf man als Politiker etwa keine Nebenjobs machen?!“. Das lässt sich recht einfach inszenieren, indem man Steinbrück entsprechende Statements an die Presse geben lässt - für die reicht das. Für Diskussionen, in denen das gesprochene Wort gilt, ist das allerdings zu schwach. Hier nehme ich lieber ein ad hominem, am besten das Pseudoargument „Neid!“, mit dem sich noch jegliches amoralische Verhalten vor den Einfältigen rechtfertigen lässt, allerdings in irgendeiner verschleiernden Abwandlung: „Du würdest doch auch kein lukratives Angebot ausschlagen!“. Ich würde darauf spekulieren, dass mein Gegenüber für eine angemessene Reaktion („Es geht nicht um mich“) nicht wachsam genug ist, sich unter Rechtfertigungsnotstand gesetzt fühlt, weil sowieso jeder Mensch ein schlechtes Gewissen hat, und mir fortan die Diskurshoheit überlässt. Persönlicher Krawall ist auch gefälliger als Sachdiskussionen.
Wenn das noch nicht hilft, würde ich Steinbrück Transparenz simulieren lassen. Wir würden offenlegen, wie viel genau er von der Kanzlei und ein paar anderen, unverfänglicheren Auftraggebern bekommen hat, ihn ein wenig Reue heucheln lassen ("Ich bedaure, dass der Eindruck entstanden ist...") und nötigenfalls sogar noch eine neue Diskussion lostreten, die darauf abzielt, dass es den Kritikern ja eigentlich gar nicht um Korruptionsbekämpfung geht, sondern darum, den armen Mann persönlich oder meinetwegen auch die ganze SPD zu diskreditieren. Also eine weitere Abwandlung des „Neid!“-Vorwurfes.
Ich bin sehr gespannt, wie sich das alles noch entwickelt.